Michi und Jenny sind auf der Etage U14, im Nordflügel, in der Abstellkammer, die den Mitarbeitern des Limbus als Aufenthaltsraum dient. Sie beide zählen von drei rückwärts, um dann gleichzeitig das rötlich gefärbte Gebräu hinunter zu stürzen, das Betsie heute produziert hat. Seit dem 1.12. kommt aus ihrem Ablauf jeden Tag eine andere Flüssigkeit, die aus Ermangelung von geeigneten Testpersonen nun durch die verbliebenen Mitarbeiter der Wissenschaftsabteilung selbst erforscht werden muss.
Michi hat gerade noch Zeit ihr Trinkgefäß abzustellen und aus Vorsicht schonmal den Erste-Hilfe-Kasten zu öffnen, als Mechanikerin Anna ihr ihre schwarz anlaufenden Fingerspitzen entgegenhält: “Könnt ihr beide bitte mal helfen! Das Portal zum Nordpol steht jetzt schon seit 14 Tagen offen, selbst die Wichtel haben schon kalte Füße und es hört nicht auf Mandeln zu regnen.”
Jenny wächst gerade ein pelziges Geweih aus dem Kopf: “Irgendwer muss sich um das Zeug doch kümmern. Wir können das schließlich nicht einfach in den Abfluss kippen, sonst beschweren sich die Stadtwerke wieder.”
“Um die Mandeln kümmere ich mich! Die kann man super weiterverarbeiten”, Iso rollt sich von ihrer Pritsche, auf der sie gerade noch geschlafen hat, schnappt sich eine leere Mülltüte und macht sich gleich auf den Weg in die sechste Untergrundetage. “Warte, ich helfe dir!”, ruft Constantin, der gerade von seiner allsonntäglichen Chorprobe kommt. “Ich denke, ich habe sogar eine Idee, wie wir die Wichtel besänftigen können. Wir könnten Pepis Enthaarungsautomat etwas umbauen und dann…” ist auch er in den etwas höher gelegenen Untergrund verschwunden.
“Ich möchte ja wirklich keine weitere Unruhe verbreiten, aber ich glaube, eins der Wichtelgeschenke zittert”, Chally hält verwirrt ein geradezu zappelndes Paket in der Hand. Tim, der gerade zusammen mit Lara versucht, ein betrunkenes Rentier aus dem Raum zu entfernen, schaut sofort seine Kollegin am Tier fragend an. Lara hebt nur abwehrend die Hände, wobei das Rentier allerdings zu Tim hinüberschwankt und ihn zwischen sich und der Wand einklemmt. “Ich war das dieses Mal nicht”, ächzt sie, während sie das Tier endlich durch die Türe geschoben bekommt.
“Ähm…”, meldet sich Tom mit einem nervösen Lächeln zu Wort. “Es könnte eventuell sein, dass das meins ist.” Michi säufzt: “Es gab da letztes Jahr ein paar unschöne Vorfälle mit ein paar Trollen, darum sind Lebewesen nicht mehr zugelassen als Geschenk. Du musst dir bitte etwas anderes überlegen.” Auch Tom seufzt verzweifelt: “Kann ich dann wenigstens mal in den Wertsachen der Testpersonen mal stöbern?” Michi nickt, dann schaut sie mit einem Augenrollen zu Josef herüber, der mit seinem Schweißgerät und einem fragenden Blick in der Türe steht.
“Deinen Kaffee habe ich schon fertig, Josef. Und wenn du den leer hast, dann wäre es super, wenn du nach der Klonmaschine schauen könntest. Die hört nämlich nicht auf zu produzieren und die Praktikanten, die da rauskommen, werden immer dümmer und dümmer. Wenn wir nicht schnell frische Hirnmasse reinbekommen, können wir die nicht einmal mehr für den Frühjahrsputz einsetzen, mit dem wir eigentlich nächste Woche schon anfangen wollten. Und bitte setz auf den Adventskranz nicht wieder Zündkerzen drauf, ich möchte dieses Jahr keinen Großbrand mehr. Danke! Jetzt brauche ich erstmal einen Shot!”
Damit lässt sich Michi auf eines der großen Sofas fallen, auf denen man übrigens auch sehr gut schlafen kann, und der neue Serviceroboter Erwin reicht ihr ein Shot-Glas. Mit einem mechanischen Lächeln verkündet er: “Ist doch nur ein ganz normaler Adventstag im Limbus!”